Kaum dass der Film erfunden war, begann er, Zeit und Raum zu durchstreifen: Neben das das prosaische Hier und Jetzt traten alsbald die Traumbilder fremder Länder und vergangener Zeiten, neben das dokumentarische Festhalten der Realität die mise-en-scèneimaginierter Geschichte(n). Was nicht oder nicht mehr da war, rekonstruierte der Film in Bauten und Kostümen, aber auch mit Hilfe jener illusionistischen Werkzeuge, die dem neuen Medium eigen waren: der Bewegung, der Montage, der Synästhetik von Raumbild und Ton. Das Kino trat somit die Nachfolge von Dioramen und Wachsfigurenkabinetten, von Völkerschauen und Weltausstellungen, von Jahrmarktspektakeln und Variétés an, erreichte dabei aber eine nie zuvor dagewesene Suggestionskraft.
Wenn im Abenteuer-, Kostüm- und Historienfilm die Leinwand kein Spiegel der äusseren Wirklichkeit mehr ist, sondern einer der kollektiven Sehnsüchte und Nostalgien, dann gilt Ähnliches auch für jene Architekturen, die der Alltagswirklichkeit imaginäre Bauformen entgegen setzen, die in romantischem Gestus auf ein Anderes verweisen, idealisierte Vergangenheiten aufleben lassen oder ganz einfach die Schauwerte exotischer Kulturen zelebrieren. Ist es Zufall, dass das Geburtsjahr der Illusionsmaschine «Kino» auch den Höhe- und Endpunkt der historistischen Architektur markiert?
Anhand ausgewählter Filme, Bauten und Texte beleuchtet das Seminar verschiedene Formen imaginärer Reisen zum Fremden und Vergangenen, analysiert die formalen und technischen Mittel, die dabei zum Einsatz gelangen, sowie deren theoretische und ideologische Grundlagen. Die Gegenüberstellung von Film- und Architekturgeschichte ermöglicht dabei nicht nur die vergleichende Auseinandersetzung mit zwei raumbildenden Medien, sondern auch die kritische Reflexion der wiederkehrenden nostalgischen Tendenzen in der Architektur.
Wahlfach- und Vertiefungsarbeiten:
Die Wahlfach- bzw. Vertiefungsarbeit im Fach „Raumkonzepte in Film und Architektur“ umfasst die Herstellung eines Kurzfilms inkl. schriftlichem Resumee sowie die Teilnahme an den Zwischen- und Schlussbesprechungen. Die Aufgabenstellung wird jeweils Ende des Semesters ausgegeben, die Produktion des Kurzfilms erfolgt während der anschliessenden Semesterferien. Möglich sind Einzelarbeiten oder Arbeiten in Gruppen zu zwei Personen.
Die Anzahl Plätze ist auf vierzig Studierende pro Semester beschränkt. Die Auswahl erfolgt aufgrund einer Ideenskizze, die Ende des Semesters eingegeben werden kann. Der Besuch des aktuellen Wahlfachs inkl. Leistungsnachweis wird vorausgesetzt. Die zur Wahlflacharbeit zugelassenen Studierenden können sich anschliessend auf mystudies für die Wahlfacharbeit (063-0173-18 A) bzw. die Vertiefungsarbeit (Lernheinheit Annette Gigon) eintragen.
Wahlfach Raumkonzepte in Film und Architektur, Frühlingssemester 2018
Professur Annette Gigon / Mike Guyer
Dozent Dr. Marcel Bächtiger
Kontakt: Dr. Marcel Bächtiger